Volkersstimme

Ein zentraler Bestandteil der Gerechtigkeitstheorie des Philosophen Jon Rawls ist der Schleier des Nichtwissens. Was genau das bedeutet erfahren heute Millionen Internetnutzer, denn die Wikipedia ist für einen Tag abgeschaltet. Grund ist der umstrittenen Artikel 13 der geplanten EU-Richtlinie zur Regelung des Urheberrechtes. Demnach sollen künftig Plattformen wie youtube für Urheberrechtsverletzungen haften. Die folge seien sogenannte Up-Load-Filter die verhindern dass Material hochgeladen wird, bei denen Urheberrechtsverletzungen vorliegen oder vermutet werden. Das Ende des freie Internets inklusive der Untergang des Abendlandes seien die Folge würde die umstrittene Richtlinie umgesetzt. Behaupten zumindest die Plattformen. Genau gegenteiliger Ansicht sind die Inhaber von Urheberrechten, also die Künstler. Sie sehen endlich ihre Interessen gewahrt. Und Otto-Normal-Streamer? Weiß natürlich wieder nicht wer recht und hat welcher Demo sich anschließen soll. Morgen kann man zur Not noch bei FridayForFuture mitwanken, aber am Samstag?

Immer noch nichts passiert. Es ist jetzt schon der zweite Tag nach dem Gender-Pay-Gap-Tag und es ist immer noch ruhig. Keine Frau protestiert über die existierende Gehaltsungleichheit. Offensichtlich sind die Damen nur an Weiberfasnacht zu großer Aufregung fähig. Nach dem es weiterhin ruhig ist und zu bleiben droht, soll das Fass mit Gehaltsunterschieden bei den neuen Geschlechtern, die ja gerade immer mehr an Aufmerksamkeit gewinnen, gar nicht aufgemacht werden.

Meldung in den Gazetten: Andrea Nahles will den Paketboten helfen. Gut denkt sich der Paketbote, ist in Ordnung, soll sie den Bereich Frankenthal-Wellerau übernehmen. Aber Pustekuchen, die SPD-Vorsitzenden denkt gar nicht daran selbst Hand anzulegen. Vielmehr denkt sie an eine Hilfe im übertragenen Sinne. Da winkt der Postler gleich zwei mal ab: einmal sind solche Hilfsangebote von Politikern oft nichts als heiße Luft. Und wenn man die Pläne von Nahles, die SPD wieder zu halten Höhen zu führen mit den aktuellen Umfrageergebnissen vergleicht, dann ist man froh über jedes Anliegen, welches die Andrea nicht angreift.

Vor der Bankenkrise hat mit der Deutschen Bank immerhin noch ein Akteur in der ersten Liga der globalen Finanzinstitute mitgespielt. Zwar auf dem Niveau von Hannover, also immer mit genügend Abstand zu den internationalen Wettbewerben. Aber immerhin. Jetzt spielt das einstmals bedeutendste deutsche Finanzinstitut eher in der Mittelrheinliga. Also nicht mehr Real Madrid und AS Rom sondern FC Hennef 05 und Victoria Arnoldweiler. Um sich aus den aktuellen Niederungen herauszuarbeiten wird eine Fusion mit der Commerzbank in Erwägung gezogen – um im Fußball-Sprech zu bleiben: man plant eine Spielgemeinschaft mit dem SV Stahl Finow (Brandenburgliga). Angesichts der Schwere des geplanten Zusammenschlusses wird die Angelegenheit im Kartellamt vermutlich von einem Praktikanten geprüft.

Die evangelische Kirche hat heuer ein interessanten Fastenmotto ausgelobt: 7 Wochen ohne. Ohne meint in diesem Fall nicht Kohlenhydrate, Sex oder Mikroplastik. Ohne meint: Lügen. Das ist deswegen interessant, weil die Freude an der Wahrheit nicht ein klerikales Nice to have ist sondern in den zehn Geboten, dem Grundgesetz der Christen, immerhin auf Platz acht. Und die zehn Gebote sind nicht erst seit gestern in Betrieb. Mose, historische Unschärfen berücksichtig, hat den Pentateuch vor mehr als 2500 Jahren gelauncht. Der fromme man sollte als bereits seit Generationen und nicht erst seit anderthalb Wochen bei der Wahrheit bleiben. Und jetzt bitte keinen kleinexegetisch Hinweis auf das Buch der Sprichwörter. Hier heißt es: wer Lügen flüster geht zugrunde (19.9). Das heißt aber im Umkehrschluss NICHT: wer Lügen laut herausschreit, hat nichts zu befürchten. Der Hinweis gilt für Kleingläubige ebenso wie für amerikanische Präsidenten.

…der seinen alten Euro4-Diesel gegen eine Boeing 737-Max getauscht und seine Wirecard-Aktien verkauft hat um dafür Papiere des amerikanischen Flugzeugherstellers zu kaufen. Das wars wohl mit der Altesrsicherung.

Hat eigentlich schon einmal jemand nachgeprüft, ob das britisch Parlament nicht in einer Zeitschleife gefangen ist, so Murmeltiertag-mäßig? Wie sonst ist es zu erklären, dass immer und immer wieder über das gleiche abgestimmt wird?

Wer noch mit drei Fernsehprogrammen, Sendeschluss und Schwarz-Weiß-Fernsehen aufgewachsen ist, dem werden die Begriffe „Binge Watching“ und „Spoilern“ nichts sagen. Am Beispiel der morgen im ZDF ausgestrahlten brillianten Serie „Professor T“ mit dem herausragenden Matthias Matschke sei dies erläutert. Dank neuer Technologien namens Streaming ist es nämlich möglich (so der Fernsehsender will – und das ZDF will ) die komplette Staffel in der Mediathek anzusehen. Jetzt und schon vor der Ausstrahlung. Man kann sich die alle Folgen am Stück ansehen. Einen solchen Serienmarathon bezeichnet man als „Binge Watching“. „Spoilern“ wäre, wenn man vorher verrät, dass Anneliese Deckert am Ende stirbt und Professor T. als Kind seinen Vater ermordet hat.

Irgendwie hat es die Debatte über die Weihnachtsferien geschafft. Mit welchem Trick ist nicht bekannt. Es wird – zu Recht – darauf hingewiesen, dass es Fälle von Scheinselbständigkeit und Dumpinglöhnen gibt. Und dass es sich hierbei keineswegs um bedauerliche Einzelfälle handelt sondern Bestandteil des Geschäftsmodells ist. Die Paketdienstleister sollen für Verfehlungen ihrer Subunternehmer haften. Das ist gut, das ist richtig, das ist überfällig. Die Paketler sind jetzt natürlich beleidigt. Drohen sogar, die Kunden müssen ihre Pakete selber abholen – zwar nicht bei Amazon aber doch im Paketshop oder an der Pakstation. Lieferung ins Haus nur noch gegen Aufpreis. Das ist aber schon ein bisschen so, als würden die Landwirte wegen niedriger Milchpreise – ein Thema übrigens, das länger nicht mehr lanciert wurde – drohen, man müsse künftig die Kuh selber melken.

Das Zeitfenster schließt sich. Urlaubsplanung ist angesagt. Nur noch wenige Augenblicke, dann ist die Zeit des Frühbucherrabattes vorbei und der preisbewusst Reisende muss warten bis die ersten Last-Minute-Angebote aufgerufen werden. Erstmals haben in der vergangenen Reisesaison mehr Menschen ihren Urlaub im Netz gebucht, statt einen lokalen und vor allem ansässigen Reiseverkehrskaufmann zu beauftragen. Warum tun Menschen so was? Warum quälen sie sich? Warum quälen sie nicht den Reiseverkehrskaufmann? Soll der sich doch die Finger am PC schrundig Tippen, während man selber gemütlich den dritten von der Reiseverkehrkauffrau-Azubine zubereiteten Cappuccino zu sich nimmt. Tipp: hierzu nur Reisebüros aufsuchen, die über eine Jura-Kaffeemaschine verfügen. Nespresso ist zu angeberisch und kann geschmacklich nicht mithalten.